Wundersame Erkenntnisse vom Besuch bei „Welt der Wunder“

Vor 14 Jahren, 1996, war das eine echte Revolution im deutschen Fernsehen: Mit „Welt der Wunder“ (WdW) lief bei ProSieben erstmals eine Wissenschaftssendung bei einem Privatsender. Logo Welt der WunderBis dahin galten Wissenschaftsthemen als Hoheitsgebiet der Öffentlich-Rechtlichen, auch weil niemand geglaubt hatte, damit kommerziellen Erfolg haben zu können. Hendrik Hey und sein Team haben daran geglaubt, waren Türöffner für weitere Wissensformat wie „Galileo“ & Co und haben – inzwischen bei RTL II – bis heute Erfolg mit der Sendung.

Am vergangenen Mittwochabend (21.07.2010) luden die Fachgruppen Junge Journalisten und Online-Journalisten des Bayerischen Journalistenverbandes zum Redaktionsbesuch bei „Welt der Wunder“ samt Diskussion mit Produzent und Moderator Hendrik Hey, der einen spannenden Einblick in die Arbeit und Philosophie der Firma gab und manch nette Anekdote erzählte. Hier nun ein paar interessante Notizen, die ich im Nachhinein aus dem Gedächtnis aufgeschrieben habe:

– Als „Welt der Wunder“ 1996 bei ProSieben auf Sendung ging und damit das Wissenschaftsmonopol der Öffentlich-Rechtlichen brach, war die Reaktion vom ZDF: „Das dürft ihr nicht“.

– Die Rechte an der Marke „Welt der Wunder“ gehören der Welt der Wunder GmbH. Deshalb konnte die Sendung auch unter gleichem Namen von ProSieben zu RTL II umziehen. Auch alle Rechte am umfangreichen Archiv liegt bei der Produktionsfirma und nicht beim Sender. Durch den Besitz der Markenrechte, kann die Marke „Welt der Wunder“ auch für Ableger genutzt werden, etwa die gleichnamige Zeitschrift, die der Bauer-Verlag herausgibt.

– Welt der Wunder hat laut Hendrik Hey das größte BBC-Archiv außerhalb der BBC. Anstatt benötigtes Filmmaterial immer erst anfordern zu müssen, bekommt WdW alles neue Material der BBC zugeschickt und genießt das Vertrauen, bei Verwendung alles korrekt abzurechnen.


– Neben der Hauptsendung am Sonntag bei RTL II und dem jungen Ableger „Schau dich schlau“ arbeitet die Redaktion an einem neuen Primetime-Format, in dem es monothematisch z.B. um Waffen oder auch Prostitution gehen soll – alles natürlich aus wissenschaftlicher Sicht.

– Auch mit neuen Werbeformaten hat Welt der Wunder bereits experimentiert: Etwa mit einem Ökotipp innerhalb der RTL-II-Sendung, der von AEG präsentiert wurde. RTL II hatte im Vorfeld gedroht, den Ökotipp abzusetzen, falls diese Werbeform den Zuschauern missfällt – doch das Gegenteil war der Fall: Der Ökotipp erhielt die besten Bewertungen der ganzen Sendung.

– Hätte Hendrik Hey die Wahl zwischen einem festen Budget für die Produktion der Sendung und einer Beteiligung an den Werbeeinnahmen, würde er sofort auf sein Budget verzichten und sich fürs Beteiligungsmodell entscheiden.

– Generell hat er als Produzent immer im Hinterkopf, wie sich neue Ideen und Formate finanzieren lassen, er denkt also viel unternehmerischer als andere Fernsehmacher

– Vor drei Jahren hat „Welt der Wunder“ den Internet-TV-Sender wdwip.tv gestartet.

– Dort sind keine klassischen Redakteure und Moderatoren tätig, sondern nur Produzenten, die ihre Themen auch vor der Kamera präsentieren (müssen).

– Von den ehemals rund 30 Produzenten sind noch etwa zehn übrig geblieben. Für einen 24-Stunden-Betrieb würde Hendrik Hey rund 100 Mitarbeiter veranschlagen.

– Die fernsteuerbaren Kameras von wdwip.tv stammen eigentlich aus der OP-Technik und kommen nun fürs Internet-TV zum Einsatz, weil sie günstiger sind als herkömmliche TV-Kameras.

– Eine Zeit lang gab es eine tägliche, zweistündige Sendung namens „Mainframe“, die von der Art ein bisschen an NBC-Giga erinnert, allerdings ohne Medienbruch, d.h. alles spielt sich auf dem Computerbild-Bildschirm ab, währen bei Giga das Bild über den Fernseher kam und die Interaktion (z.B. Chat) über den PC lief.

– wdwip.tv hat es geschafft, die Latenzzeit des Streams, also die Verzögerung zwischen dem Zeitpunkt, wenn jemand etwas sagt oder tut und dem Zeitpunkt, wann es beim Zuschauer ankommt, auf unter eine Sekunde zu drücken.

– Die technische Infrastruktur und das Know-How von WdW und wdwip.tv nutzenen auch immer mehr Firmen, die sich ein eigenes Internetfernsehen produzieren lassen – entweder für die Öffentlichkeit oder auch z.B. zur internen Schulung. Die Auftraggeber kommen damit zu WdW, weil sie eine redaktionelle Herangehensweise an ein Thema wünschen, die sie bei einer klassischen Werbeagentur nicht bekommen.

– Dabei herrscht eine strikte Trennung zwischen kommerziellen Auftragsproduktionen und redaktionellen Sendungen fürs Fernsehen oder Web-TV. Bei Themen, die prinzipiell auch für die Wdw-Sendung interessant sind, können Bilder, die für Auftragsproduktionen gedreht wurden, jedoch in einem anderen Kontext auch in der TV-Sendung zu sehen sein – etwa wenn ein Automobilhersteller eine Produktion zur Zukunft der Mobilität in Auftrag gibt. Das geschieht aber nur, wenn das Thema ohnehin ein Thema ist, nicht weil der Kunde eine Produktion in Auftrag gegeben hat.

– Ansonsten sind Auftragsproduktionen aber nur auf den Webseiten oder im Intranet der Auftraggeber zu sehen. Ausnahme ist lediglich die Sendung Job XL TV, die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit produziert. Da es sich bei der BA um eine öffentlich-rechtliche Anstalt handelt, läuft Job XL TV im Rahmen von wdwip.tv.

– Solche kommerziellen Auftragsproduktionen und die Überschüsse aus dem TV-Geschäft finanzieren Experimente und Spielereien wie die Sendungen „Mainframe“, die es inzwischen aber nicht mehr gibt. Auch JobXL TV pausiert zur Zeit.

– Demnächst zieht die die Internet-TV-Sparte von „Welt der Wunder“ von München nach Ludwigsburg. Grund für den Umzug sind Fördergelder aus Baden-Württemberg, die Nähe zur Filmakademie in Ludwigsburg sowie geringere Lebenshaltungskosten für die Mitarbeiter als in München. Hendrik Hey gesteht offen ein, dass es bei WdW ein „Ost-West-Gefälle“ zwischen TV-Redakteuren und Online-Mitarbeitern gibt und er sich selber manchmal wundert, wie seine wdwip.tv-Leute, gerade wenn sie nicht aus München kommen, mit dem geringen Lohn in München auskommen.

Fazit:

Im Fernsehgeschäft ist „Welt der Wunder“ eine feste und verlässliche Größe, zu einem weil WdW im Privatfernsehen ein Pionier war, aber nicht zuletzt auch wegen der Markenrechte, die WdW auch an Geschäftsfeldern abseits der TV-Sendung mitverdienen lässt, etwa beim Print-Magazin oder der Zweitverwertung von Archiv-Material.

Im Bereich Internet-TV leidet wdwip.tv wie auch alle anderen Anbieter an der bislang ungeklärten Frage, wie sich redaktionelle Inhalte, abseits von bezahlten Auftragproduktionen für Kunden, finanzieren lassen. Sollte sich irgendwann einmal eine Lösung finden, kann „Welt der Wunder“ mit jahrelanger Erfahrung punkten und sich somit gegen Konkurrenten durchsetzen, die dann erst anfangen, sich an die Thematik heranzutasten.

Nachtrag 27.07.2010

Auch im BJV-Jungblut-Blog gibt es nun einen Bericht zum Besuch bei „Welt der Wunder“.

 


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