Video in Print – TV Movie zeigt Bewegtbild auf dem Cover
Vor etwa einem dreiviertel Jahr, im August 2009, sorgte das US-Magazin „Entertainment Weekly“ mit der Ankündigung für Aufsehen, einige tausend Exemplare mit einem Video-Display auszustatten, das Werbespots von Pepsi und CBS zeigt. Schnell wurde der Vergleich zu Harry Potter gezogen, wo im „Daily Prophet“ Zeitungsartikel zum Leben erwachen. Video in Print, kurz Vidipri heißt die dahinter stehende Technik der Firma Roxasia.
Auch erste deutsche Magazine haben die Bewegtbildwerbung auf dem Print-Titel bereits ausprobiert: Der „Spiegel“ schickte Ende Dezember 2009 ausgewählten Abonnenten eine Ausgabe mit einem VW-Werbespot auf dem Titel, die Gala bewarb im Januar den neuen Otto-Katalog im Bewegbild – auch diesmal wieder nur für ausgewählte Abonnenten.
In der vergangenen Woche hat „TV Movie“ nachgelegt und als erste Programmzeitschrift ein Video-Display zum gedruckten Heft mitgeliefert. Anders als bei „Spiegel“ und „Gala“ gab es die Limited Edition nicht nur für Abonnenten, sondern auch in ausgewählte Läden an Bahnhöfen und Flughäfen zu kaufen – allerdings nur in einer Auflage von 2.000 Stück. Am Münchner Hauptbahnhof habe ich die begehrten Exemplare in einem Presseshop im Zwischengeschoss zur U-Bahn wider Erwarten gefunden und gekauft. Am Donnerstagnachmittag waren noch drei Stück verfügbar, von denen ich zwei gekauft habe – das letzte habe ich anstandshalber für andere Kunden übriggelassen.
Meinen eigentlichen Plan, das Display im ICE nach Hamburg gleich auszuprobieren, habe ich schnell wieder aufgegeben. Das Ganze funktioniert nämlich ähnlich wie eine „singende“ Geburtstagskarte mit Musik: Klappt man das Cover auf, fängt das Video an zu spielen. Und der Ton ist relativ laut. Da es keine Möglichkeit gibt, die Lautstärke zu regulieren, zieht man damit im vollbesetzten Zug mehr Aufmerksamkeit auf sich, als einem lieb ist. Daher habe ich das Video-Display schnell wieder zugeklappt und den Test auf später verschoben.
Gleich beim Aufklappen startet ein Werbetrailer von BMW Motorrad. Das Display selber ist grafisch übrigens in den Rückspiegel eines Motorrads eingebettet. Es ist also unübersehbar, wer sich dieses technische Gadget ein paar Euro hat kosten lassen. Wenn man nichts tut laufen, danach automatisch weitere Trailer von Pro Sieben (Transformer), Sat. 1 (Die perfekte Minute) und Kabel 1 (Taken). Unterbrochen werden die Trailer jeweils von BMW-Motorrad-Clips. Zu Guter letzt gibt es noch ein Video über eine Motorradfahrt durch Schottland – natürlich mit einem BMW-Motorrad. Übrigens der längste aller Clips. Danach schaltet sich das Display automatisch selber ab.
Man kann alle Videos auch direkt über einen „Programmknopf“ ansteuern. Hinter den aufgedruckten Logos befindet sich tatsächlich ein haptischer Knopf, auf den man richtig drücken muss, um das Programm zu wechseln. Trotz der geringen Größe des Displays von nur 2,4 Zoll sind die Videos verhältnismäßig scharf, auch Schriften kann man gut lesen. Lediglich bei schnellen Bewegungen und wenn man sehr nah herangeht, sind verwaschene Pixel und Schlieren im Bild zu erkennen. Insbesondere beim Übergang zu den schwarzen Balken am unteren und oberen Bildrand.
Da ein Video-Display nur halb so spannend ist, wenn man nur darüber liest oder es auf Fotos sieht, habe ich selber ein kleines Video vom Vidipri-Display in Aktion gemacht:
Wenn der Akku leer ist, kann man das Gerät über einen Mini-USB-Anschluss an der Oberseite wieder aufladen. In den YouTube-Kommentaren kam der Wunsch, das Innenleben des Video-Displays zu sehen. Nein, Aufschneiden, werde ich es nicht! Aber Nutzer des Elektronik-Forums mikrokontroller.net haben die Video-Displays vom „Spiegel“ und „TV Movie“ in ihre Einzelteile zerlegt und „seziert“. Dort gibt es neben technischen Details auch Bilder des Innenlebens. Die Bastler dort haben auch versucht, andere Inhalte auf das Gerät zu spielen – allerdings ohne Erfolg.
Die Aktion von „TV Movie“ war – wie auch die von „Entertainment Weekly“, „Spiegel“ und „Gala“ – vorerst nur ein einmaliger Werbegag, der dem jeweiligen Magazin den Stempel als technischer Innovator aufdrückt und für die Werbekunden – und in allen Fällen ging es bislang um Werbung, die abgespielt wurde – eine neue Präsentationsform ermöglicht, die Aufmerksamkeit gegenüber der Konkurrenz garantiert.
Dass in absehbarer Zeit auch nur einzelne Magazine ihre komplette Auflage mit Vidipri-Displays bestücken, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Zum einen wäre das unbezahlbar. Zwar stehen auf der VidiPri-Seite keine Preise, Experten schätzen die Kosten für die Elektronik jedoch auf „mehrere Dollar pro Stück“. Bei einem Verkaufspreis von 1,60 € pro Zeitschrift samt Display dürfte „TV Movie“ also draufgezahlt haben, was die geringe Auflage von nur 2.000 Stück erklärt sowie das Sponsoring durch BMW. Zum anderen wäre es aus ökologischer Sicht völlig unverantwortlich. Nachdem der erste Effekt verflogen ist, würden die meisten Leser das Display wohl wegwerfen, was Tonnen von Elektroschrott verursacht. „TV Movie“ weist extra darauf hin, das Display nicht im Hausmüll zu entsorgen, sondern zum Recyclinghof zu bringen oder portofrei zurückzusenden.
Gerade die Wiederverwendbarkeit und Mehrfachnutzung des Displays als Abspielgerät für kurze Videoclips würde den Einsatz meines Erachtens sinnvoll machen. Einen USB-Anschluss hat das Gerät. Damit sollte sich mehr machen lassen, als nur den Akku zu laden. Denkbar wäre zum Beispiel, dass man mit jeder gedruckten Zeitschrift einen Code für neue Videos erhält. Schließt man das Display an den Rechner an und gibt den Code ein, werden die neuen Clips überspielt.
Vielleicht nur eine Spinnerei. Sicher auch noch nicht ausgereift. Aber der Phantasie sind da bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Ganz ohne Phatasie und Innovation werden die Verlage ihrer Leser künftig jedenfalls kaum begeistern können. Vidipri ist ein erster Schritt.