Gestern noch Zukunft, heute schon Geschichte: „Internet für 1,9 Pfennig pro Minute“ und andere historische Anzeigen von Web-Firmen.
Bei Aufräumen habe ich ein paar alte Ausgaben der Zeitschrift Internet Magazin aus den Jahren 2000, 2001 und 2002 gefunden. Die Hefte sind also 7 bis 9 Jahre alt. Nicht viel, könnte man denken, aber eine Ewigkeit, wenn man sieht, wie und wofür da damals geworben wurde. Die Zeitschrift gibt es immer noch, die damaligen Anzeigenkunden haben es nicht alle überlegt.
So auch der Internet-Provider o.tel.o. Diese Anzeige mit dem Hund stammt aus Heft 02/2001. Zu dieser Zeit war o.tel.o bereits im Besitz von Mannesmann Arcor, kurz darauf wurde der Betrieb eingestellt. 1998 hatte o.tel.o übrigens germany.net gekauft, einst einer der größten und innovativsten Internetprovider. Über die Geschichte von germany.net habe ich im März einen Beitrag bei update2.de geschrieben.

weitere alte Anzeigen von Lycos, Planet Internet, Viag Interkom, Robert T-Online und Compuserve:
Mit einem Hund hat auch Lycos geworben. Im Dezember 2000, als diese Anzeige erschien, gab es Google zwar schon, war aber bei weitem noch nicht so mächtig wie heute. Lycos versuchte also, sich als Wegweiser im Internet zu positionieren. Der schwarze Labrador stand symbolisch für das Suchergebnis, das Lycos dem Nutzer bringt. Im März 2009 war auch für Lycos endgültig Schluss. Übrig geblieben sind nur noch die E-Commerce-Plattform Lycos Shopping und noch das Frage-Antwort-Portal Lycos iQ.

Ein Wegweiser im Internet wollte auch Sharelook sein (Anzeige von Dezember 2000). Die Seite ist zwar immer noch online, dient aber überwiegend als Plattform für Google-Ads und andere Werbe-Banner.

Sehr schlicht warb im Februar 2001 der Internet-Provider „Planet Internet“. Womöglich zu schlicht – weder den Anbieter noch die Website gibt es noch. Die Domain gehört heute laut Denic-Auskunft einer österreichischen Marketingagentur, die vor allem durch dubiose Abzock-Angebote und Abofallen von sich reden macht.

Bei der nächsten Anzeige von Ende 2001 muss man genau hinsehen, um zu erkennen, was hier eigentlich verkauft werden soll: Es geht um Server. Bei diesem Anzeigenmotiv doch eigentlich klar, oder? Die Website des Anbieters Webtronic existiert zwar noch, der letzte Eintrag stammt aber von 2003. Die einzige Firma, die mir einfällt, die heute noch so werben würde bzw. tatsächlich so wirbt und sich gerne mit einem solchen Image schmückt, ist ein kleiner Münchner Radiosender.

Die Firma der nächsten Anzeige hingegen gibt es noch, sie heißt heute nur anders, nämlich O2 statt Viag Interkom. Und auch das Gelb ist aus der Firmen-Farbgebung herausgefallen. Sah wohl zu sehr nach Post aus.

Apropos Post: Zur Deutschen Bundespost gehörte früher ja auch das Fernmeldewesen. Als der Fernmeldebereich längst zur Deutschen Telekom privatisiert woden war, warb Robert T-Online für Highspeed-Internetzugang mit T-DSL. Interessant ist das Kleingedruckte: Unter „Highspeed“ verstand man im Jahr 2000 noch max. 768 kbit/s.

Zwei Jahre später, Ende 2002, hatte sich die Geschwindigkeit dann bereits verdoppelt. Robert T-Online konnte das nicht retten – ein halbes Jahr später wurde ihm der Stecker gezogen. Über die Geschichte von Robert T-Online habe ich im Februar übrigens was bei update2.de geschrieben. Und erst vor einigen Wochen habe ich ihn an der A61 wiederentdeckt.

Zu guter letzt noch eine Anzeige, die inzwischen 14 Jahre alt ist. Compuserve-Nutzer konnten den „Spiegel“ schon damals vor dem Erscheinungstermin am Montag online lesen. Heute ist Spiegel Online einer der Platzhirsche im deutschsprachigen Internet, den damaligen Partner Compuserve, damals ein digitaler Pionier, hingegen gibt es nicht mehr. Die Geschichte von Compuserve erzählt mein turi2-Kollege Florian Treiß bei update2.de.

So, und jetzt, wo die ganzen alten Anzeigen digitalisiert sind, können die Print-Versionen davon endgültig ins Altpapier.
Marko meint:
Hinzugefügt am 11. September, 2009 um 08:39 UhrWenn ich mir diese Preise (1,9 Pfennig pro Minute) anschaue, entdecke ich entsetzt, wie alt ich bin. Als ich das erste Mal im Internet war, galt folgende Rechnung: Telefongebühr von 23 Pfennig alle fünf, acht oder zwölf Minuten – je nach Zeit -, ungefähr drei Minuten, bis man sich dann dorthin durchgehangelt hatte, wo es ins Internet ging, weil das nur über Umwege möglich war, und dann 30 Pfennig pro Minute zusätzlich. Alle paar Minuten flog man raus aus dem Internet, E-Mails verschicken ging nicht, weil man als Privatnutzer keine Antworten empfangen konnte, Downloads waren meist auch unmöglich, weil man dafür extra bezahlen sollte, aber wie, ohne Onlinebanking, weil es das damals auch noch nicht gab. Dafür konnte man sich außerhalb des Internet unter *Computerclub# lustige DOS-Spielchen runterladen, falls man die Zeit hatte. Oder man benutzte einen Decoder und ein Signal, das Vox statt Videotext ausstrahlte. Einige Jahre davor konnte man sich diese Programme noch von Radio DDR2 im Computerclub aufnehmen und versuchen, sie von Cassette auf den Rechner zu kopieren.