Augmented Reality: Ich sehe was, was Du nicht siehst.
Es ist momentan einer der ganz großen Trends im IT-Bereich, noch mehr aber im Bereich Mobile: Augmented Reality, also die Verknüpfung von realer Welt mit Informationen aus dem Internet mittels Kamera oder Smartphone. Kaum ein Tag vergeht, an dem es keine News über neue Apps und Angebote zur „computergestützten Realität“ gibt.
Sogar ins Museum hat es Augmented Reality schon geschafft: Im Technikmuseum Cité des sciences & de l’industrie in Paris habe ich bei einem Kurzurlaub Mitte Mai das rechts eingebettete Video aufgenommen, das leicht verständlich zeigt, was sich hinter Augmented Reality verbirgt.
Bereits Anfang Mai war ich zusammen mit dem Hightech-Presseclub zum Informationsbesuch bei der Münchner Firma Metaio, einem der führenden Anbieter in Sachen Augmented Reality. Mein knapp 14 Minuten langes Interview mit Metaio-Pressesprecher Jan Schlink ist in Folge 167 von Markos Medien-Podcast zu hören.
Seiner Mutter würde Jan Schlink Augmented Reality mit dem Beispiel einer virtuellen Wohnungseinrichtung erklären, sagt er. In das Bild der realen Wohnung könnte man durch Augmented Reality virtuelle 3D-Möbel hineinstellen sowie hin und herschieben, um zu sehen, wie diese wirken (Beispielvideo hier). Ein weiteres plakatives Anwendungsbeispiel ist die Digital Box von Lego. Hält man eine Lego-Verpackung vor die Kamera eines solchen Terminals, das bereits in allen Lego-Stores steht, sieht man das zusammengebaute Spielzeug als animiertes Video.
Besonders interessant wird Augmented Reality beim mobilen Einsatz auf Smartphones. Auf das Livebild der Smartphonekamera lassen sich Informationen zu Gebäuden, Geschäften oder Sehenswürdigkeiten legen. Noch passiert die örtliche Zuordnung oft auf Basis von Standortdaten wie z.B. GPS. Bereits jetzt wird aber schon daran geforscht, auch Gebäude zu erkennen und diesen Informationen zuzuordnen. Denkbar wäre etwa, dass man mit seinem Smartphone durch eine Straße geht und in das Bild der Kamera Informationen zu freien Wohnungen in dieser Straße projiziert bekommt. Immonet.de bietet in seiner iPhone-App eine solche Funktion.
Big-Brother-Szenario kann zum Showstopper werden
Doch nicht nur Immobilienangebote lassen sich via Augmented Reality in Bilder der realen Welt integrieren. Auch Tweets von anderen Twitter-Nutzern oder ortsbasierte Statusmeldungen von Facebook-Freunden können angezeigt werden. Müsste das nicht Datenschützer, Politiker und sonstige Bedenkenträger auf den Plan rufen, die auch aufschreien, weil für Google Streetview und Microsofts Bing Stretside Kamerafahrzeuge durchs Land fahren und Aufnahmen von Häuserfassaden machen?
„Ich weiß nicht genau, was die Datenschützer umtreibt und wann sie Amok laufen“, sagt Metaio-Sprecher Jan Schlink dazu: „Zugreifen tun wir nur auf die Daten, die da sind, wir generieren ja keine neuen“. Wer eine Information im Web teilt, müsse sich bewusst sein, dass diese „für jegliche Art von Technologie genutzt werden kann“. Ein Google-Maps-Mashup sei dasselbe, „es wird nur anders dargestellt“.
Dennoch gebe es Anwendungen, wo Metaio als deutscher Entwickler zurückhaltender agiert, als Entwickler aus anderen Ländern dies womöglich tun würden, in denen Datenschutz nicht so streng genommen wird. Ein „sehr heikles Thema“ sei etwa die Gesichtserkennung, sagt Jan Schlink: „Da betreiben wir keine großartige Grundlagenforschung.“ Dies könnte gar zum „Showstopper“ werden, weil die Nutzer an ein „klassisches Big-Brother-Szenario“ denken und nicht möchten, dass ihr Gesicht mit Informationen aus dem Internet verknüpft wird. Dass es hierzu intensive Diskussionen gibt, sei auch wichtig: „Das sind Themen, denen wird man sich sozio-kulturell sicher noch widmen müssen.“
Nutzwert statt Effekthascherei
Weit weniger heikel, sondern vor allem praxisorientiert ist eine Anwendung, an der zur Zeit geforscht wird: Ein virtuelles Handbuch. Statt das gedruckte Handbuch zu suchen, kann man seine Kamera auf ein Gerät richten und bekommt auf dem Display Anweisungen zur Bedienung, etwa wenn es darum geht, den Toner eines Druckers zu wechseln (siehe Video rechts).
Damit Augmented Reality sich als Technologie langfristig durchsetzt braucht es eben solche Anwendungen, die „auch wirklich nützlich“ sind und nicht allein auf eine „erstmalig faszinierende Effekthascherei“ setzen. „Das ist einfach kontextsensitive Information“, sagt Jan Schlink.
Herausforderung 3 D, Prozessorleistung und Roaming
Während flache 2D-Bilder schon ganz gut erkannt und verarbeitet werden können, ist die Herausforderung für die AR-Forscher nun 3D. Dabei geht es darum, bei dreidimensionalen Objekten etwa Verdeckungen zu erkennen und Inhalte darzustellen, die sich hinter einem Gebäude befinden. Auch die Darstellung bei unterschiedlicher Beleuchtung wird erforscht.
Da Augmented Reality sehr rechenintensiv ist, war bislang die Prozessorleistung von Handys ein Engpass – heute aber nur noch ein ein „Problemchen“, so Jan Schlink, das mit immer leistungsfähigeren Smartphones zunehmend gelöst wird. Ein weiter Flaschenhals, der die Nutzung von Augmented Reality noch einschränkt, sei die verfügbare Bandbreite, um Inhalte zu übertragen. Vor allem die hohen Roaming-Gebühren für die mobile Internetnutzung im Ausland sei ein „völlig bescheuertes Konstrukt, ein reiner Protektionismus und Geldmacherei“, ärgert sich Jan Schlink und hofft auf Regulierung seitens der EU.
Für sich persönlich wünscht sich Jan Schlink eine Datenbrille, auf der er beim Joggen die Daten seines letzten Laufs angezeigt bekommt. Das wäre zwar eine „sensationelle Anwendung“, aber bis dahin sei es für die AR-Forscher von Metaio noch eine „Marathonstrecke“.
Mein Fazit: Interessant wird Augmented Reality dann, wenn Anwendungen aus dem Spielbereich herauskommen und echten Nutzen stiften. Die AR-Ausgabe des „SZ-Magazins“ etwa war zwar ein netter Gag, ohne großen Mehrwert jedoch. Sinnvolle Anwendungen sehe ich vor allem im Bereich des Handels, online wie offline, also immer dann, wenn es darum geht, etwas zu verkaufen und zu zeigen, wie ein Produkt aussieht oder wirkt. Auch im touristischen Bereich könnte es interessante, sinnvolle Anwendungen geben. Aber animierte Comicfiguren und hüpfende Pandabären allein werden Augmented Reality sicher nicht zur Killerapplikation machen.